chinesische Alchemie und Medizin

Inhalt

Chinesische Alchemie
Waidan und Neidan – Äußere und innere Alchemie
China und Europa – Qi und Pneuma

Chinesische Medizin
Qi – Das was dazwischen liegt
Blut, Jing, Shen und die Säfte
Ying- und Yang-Organe
Metaphern und Muster der Entsprechungen

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chinesische Alchemie

Waidan und Neidan – Äußere und innere Alchemie

Chinesische Alchemie kommt im Kontext des Daoismus vor. In chinesischen Quellen wurde die Alchemie häufig „Jindan zhi dao“ genannt, „Weg des Goldenen Elixiers“. Sie wurde unterteilt in Waidan und Neidan. Waidan (äußerer Zinnober, äußeres Elixier‘) bezeichnete die chinesische Alchemie in ihrer äußeren Form, im Gegensatz zu Neidan (innerer Zinnober, inneres Elixier‘), der inneren Alchemie.

Der Schwerpunkt des Waidan war die Herstellung eines „Elixiers der Unsterblichkeit“ aus Mineralien, Metallen und Pflanzen. Die äußere Alchemie soll ihre Ursprünge in der Han-Zeit (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) und ihre Blüte in der Tang-Zeit (618 bis 907 n. Chr.) gehabt haben. In alten daoistischen Schriften ist eine klare Bezugnahme zur chinesischen Götter- und Dämonenmedizin, sowie zur entsprechenden Ritualpraxis erkennbar, die sich später zu einer mehr astrologischen Auslegung wandelte. In der Spätphase des Waidan wurden die Ausdrucksweisen der äußeren Alchemie auf die inneren Wandlungen des Neidan übertragen

Neidan (innerer Zinnober‘) war eine daoistische Schule der Inneren Alchemie, die mit Hilfe von geistigen und physischen Techniken (z.b. Atemübungen und verschiedene Meditationstechniken), die Erleuchtung des Praktizierenden zum Ziel hatte. Die Orakeltechniken der Trigramme und Hexagramme des I-Ging wurden in diesem Zusammenhang systematisch verwendet. In den Praktiken, wie in dem Schriftgut der Inneren Alchemie ist eine Kontextualisierung zu den drei chinesischen Hauptreligionen, Konfuzianismus, Daoismus und Buddhismus erkennbar, die als ein Versuch der Synthese dieser drei Lehren gedeutet werden kann.

Die künstliche Herstellung von Zinnober wurde wahrscheinlich von den Chinesen erfunden und kam über die Araber nach Europa. Die frühsten Quellen in Europa beziehen sich auf arabische Alchemisten und stammen aus dem 8. und 9. Jahrhundert. Sie bezeugen die Herstellung von Zinnober aus Quecksilber und Schwefel.

 

In einem alten holländischen Rezept (17. Jhr.) wurden 100 Gewichtsteile Quecksilber in einer eisernen Pfanne mit 20 Gewichtsteilen geschmolzenem Schwefel vermischt, um schwarzen, amorphen Zinnober zu erhalten. Dieses bezeichnete man als Aethiops mineralis oder als Quecksilbermohr. Die schwarze Masse wurde pulverisiert und vorsichtig in töpferne Sublimiergefäße gegeben. Bei etwa 580°C sublimierte das Produkt. Während diesem Prozess wandelte sich die schwarze Zinnobermodifikation in die rote, kristalline Modifikation um. Zur Beseitigung von Restschwefel gab man noch eine starke Lauge hinzu und wusch danach mit Wasser, so dass sich der schwere Zinnober am Boden absetzte.

 

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Die innere Alchemie hatte das Ziel, zur Geburt eines neuen Menschen(Shengtai), zu führen. Eine zentrale Vorstellung des Neidan stellte das Yuanjing dar, die „ursprüngliche Essenz“, die von dem Adepten durch ständiges Üben geläutert und transformiert werden sollte. Dabei waren Körper- und Meditationstechniken wichtig, die die innere Wahrnehmung und Visualisierung fördern, um so Energie (Qi) zu sammeln und den Geist (shen) zu vereinen, bis die „reine Leere“ erreicht war.

„Shengtai“ bedeutet wörtlich Heiliger Embryo und bezeichnete das eigentliche Ziel der inneren Alchemie, die Heranbildung eines „reinen Körpers“ innerhalb des physischen Körpers durch fortgesetzte Meditations,- und Sublimationstechniken. Dabei wurde der Körper des Adepten mit dem Kessel der äußeren Alchemisten (Waidan) verglichen. In ihm wurden die drei Weltsubstanzen oder Lebenskräfte Jing (Essenz, Körper), Qi (Lebensenergie, Seele) und Shen (Geist), welche den chemischen Substanzen des Waidan entsprachen, fortwährend erzeugt, aufgefangen, umgewälzt und zurückgeführt bis sich der Geist (Shen), zum Heiligen Embryo verdichtet hatte. Dieser Embryo musste dann ständig genährt und gefördert werden. Schließlich dehnte er sich aus und bildete eine Einheit mit dem Körper des Übenden. Der so entstandene neue Mensch oder Heilige Embryo wurde von den Daoisten auch als „Goldene Blüte“ bezeichnet und galt als die „unsterbliche Seele“, die auch den physischen Tod des Adepten übersteht und als reiner Körper die sterbliche Hülle verließ. Der Übende war somit zum „Hsien“, zum Unsterblichen geworden.

Die Praxis der „inneren Alchemie“ war wiederum unterschiedlich, jedoch gab es ganz wesentliche Übereinstimmungen. Der Weg der inneren Wandlung verlief in drei Phasen: 1.) vom Jing zum Qi; 2.) vom Qi zum Shen und 3.) die Phase der Rückkehr. Eine Übersetzung der drei Begriffe Jing, Qi und Shen ist für einen westlichen Menschen schwierig. Oberflächlich betrachtet besteht zwischen Jing und Shen der größte Unterschied, insofern unter Shen die himmlischen und geistigen Kräfte verstanden werden, wohingegen Jing eher eine basale Lebensenergie bedeutet. Das Qi nimmt hier eine Zwischenstellung ein, insofern es – ähnlich wie das griechische pneuma sowohl geistige als auch stoffliche Qualitäten hat. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die drei genannten Phasen einen – alchemistisch gesprochen – „Veredelungsprozess“ darstellen, in dem die gröbere Energieform verfeinert wird. Der erste Prozess vom Jing zum Qi hat eher die Bedeutung einer Vorbereitungsphase, wie sie ja auch bei der äußeren Alchemie vorliegt. Bei dieser Vorbereitung geht es insbesondere um das meditative Bewusstwerden der drei genannten Energieformen durch Atemübungen. Der eigentliche alchemistische Prozess vollzieht sich demnach erst in der zweiten und dritten Phase. Dabei ist die zweite Phase die einer aktiven Veredelung und Reinigung, in der das Qi gehoben und gesenkt sowie zirkuliert wird. Die dritte Phase ist dann die Phase der Rückkehr zum Nichthandeln bzw. zur reinen Leere, zum Dao, aus der alle Bewegung entspringt. So heißt es im Xingming guizhi, einem Text der „inneren Alchemie“ aus dem frühen 17. Jh.: „Nun, der Heilige kennt das Dao der Rückkehr zur ersten Bewegkraft und macht sich das Prinzip der Rückkehr zum Ursprung zu eigen. Infolgedessen bringt er die fünf zusammen, sammelt die vier, versammelt die drei, eint die zwei und kehrt zum Einen zurück.“

 

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China und Europa – Qi und Pneuma

Bezüglich der äußeren Praktiken fällt zunächst die augenfällige Übereinstimmung der Hauptingredienzien auf: In beiden Traditionen, wie auch in der indischen Alchemie, spielten das Quecksilber (in China in Form des Zinnobers) und das Gold eine wesentliche Rolle. Die Ziele der Praktiken in beiden Traditionen hatten jedoch einen unterschiedlichen Schwerpunkt: In Europa stand die Transmutation der Metalle, also die Herstellung des „lapis philosophorum“ im Vordergrund, während in China (und Indien) die Herstellung eines „Unsterblichkeitselixiers“ das Hauptziel darstellte. Was die konkrete Bereitung des Elixiers bzw. des lapis betrifft, so sind bereits die Rezepturen innerhalb der jeweiligen Traditionen sehr unterschiedlich. In der Tendenz gibt es zwischen beiden Kontexten jedoch einen grundlegenderen Unterschied: Während in der europäischen Alchemie der Prozess der Bereitung einer in die zwei Phasen des solve und coagula, also der Rückführung auf die prima materia und die Wiederzusammensetzung, unterteilter Prozess ist, verweisen die Rezepturen in China eher auf einen kontinuierlichen Veredelungsprozess durch diverse Kochungen oder auf spezifische Mixturen, durch deren Verbindung das Elixier hervorgebracht wird. Eine weitere Übereinstimmung ist die, dass die äußeren Praktiken immer auch mit den Inneren gepaart waren, so das es zumeist nicht nur um die Herstellung von Gold oder eines Elixiers ging, sondern zugleich um die parallel verlaufende innere Läuterung, bzw. Verwandlung des am Prozess beteiligten Menschen..

Der Begriff Pneuma kann mit „der Geist“, „Hauch“, „die Luft“, sowie „Hagion Pneuma“ als Heiliger Geist übersetzt werden. Das antike Konzept des Pneumas ist aber nicht nur auf den Geist bezogen, sondern weiter gefasst. Es bedeutet auch so etwas wie Wirbel, Windhauch oder Druck und hat Bezüge zu ähnlichen Konzepten wie dem chinesischen Qì oder dem indischen Prana. Bei den Stoikern galt pneuma auch als eine Art „feuriger Lufthauch“, der alles durchdringt. In der antiken Medizin des Mittelmeerraums stellte man sich das Pneuma als materielle Lebenskraft vor, sie war für physiologische Vorgänge verantwortlich. Zusammen mit dem Blut bewegte es sich durch die Adern. Nach Ansicht hippokratischer Ärzte hatte das Pneuma seinen Sitz im Gehirn. Andere sahen seinen Sitz im Herzen. Krankheiten entstanden, wenn das Pneuma durch Körpersäfte behindert wurde. Aristoteles unterschied zwei Arten von Pneuma: das Pneuma zur Erhaltung der Körpertemperatur, welches von außen eingeatmet wurde und ein angeborenes, aus dem Blut verdunstetes Pneuma im Herzen.

Diese Vorstellung, dass der Atem als Sitz der Lebenskraft sich in einer Form unsichtbarer Energie manifestiert und gleichzeitig auch mit der menschlichen Seele und dem „Weltgeist“ in Verbindung stehe, war in vielen Kulturen verbreitet. Das zeigen die Vorstellungen von der Atemseele, der Hauchseele und dem Begriff Odem.Im Lateinischen hat anima die Doppelbedeutung „Seele“ und „Atem“. In der jüdisch-christlichen Tradition umfasst der Begriff rua(c)h ein ähnliches Begriffsspektrum.

 

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chinesische Medizin

Die chinesische, wie auch die antike und mittelalterliche Alchemie Europas standen alle im engen Kontext ihrer jeweiligen Heilvorstellungen und Medizinalsysteme. So gründen etwa die klassischen Medizinsysteme in China, Indien und dem antiken Griechenland alle in Ansätzen systematischer Entsprechungen, wobei in China die Klassifikation mikro- und makrokosmischer Entsprechungen insb. Durch die fünf Wandlungsphasen (feurig, wässrig, holzig, metallen, erdig), im antiken Griechenland die vier Elemente (Feuer, Erde, Wasser, Luft) und in Indien durch die sogenannten Tridosa (Vata, Pitta, Kapha), die gleichsam drei Grundqualitäten darstellen, systematisiert wurden. Ausgehend von diesen Basis-„Kategorien“ wurde dann der gesamte Kosmos vermessen, wobei die unterschiedlichsten mikro- und makrokosmischen Phänomene diesen Basis-Kategorien zugeordnet und damit in ein Analogieverhältnis gesetzt wurden, wobei sich in China eine 5er-, in Griechenland eine 4er- und in Indien eine 3er-Systematik zeigte. Die folgende kurze Darstellung der chinesischen Medizin ist, was gewisse Aspekte der Organ- und Kreislaufvorstellungen betrifft, eher der Medizinethnologie zuzuordnen. Die daraus entstandenen Diagnose- und Therapieverfahren stellen aber einen zentralen Aspekt der aktuellen Behandlungspraxis dar.

In der traditionellen chinesischen Medizin wird die Aufmerksamkeit auf das gesamte physiologische und psychologische Individuum gerichtet. Alle relevanten Informationen werden gesammelt und miteinander verknüpft, bis das, was die Chinesen ein „Muster der Disharmonie “ nennen, erkennbar wird. Die östliche Diagnostik führt nicht hin zu einer speziellen, isolierten Krankheit oder zu präzisen Ursachen, sondern gibt eine therapeutisch brauchbare Beschreibung der ganzen Person. Die Frage nach der Ursache und Wirkung steht zweitrangig neben der Wahrnehmung des Gesamtmusters. Man fragt nicht “ Welches x verursacht Y?“, sondern “ Was ist die Beziehung von x zu y?“. Die Logik, die der chinesischen Theorie zugrunde liegt: “ Ein Teil kann nur in seiner Relation zum Ganzen verstanden werden“ entspringt dem chinesischen Denkens von Yin und Yang, scheinbare Gegensätze, die sich einander bedingen und die sich im Prozess immerwährender Veränderung in Relation zueinander befinden.

Das Schriftzeichen Yin bedeutet ursprünglich“ die schattige Seite eines Hügels“, womit Kälte, Ruhe, Empfänglichkeit, Passivität, Dunkelheit, Abnahme, das Innere und als Richtung, das nach unten und einwärts Gehende, verbunden werden. Die ursprüngliche Bedeutung des Zeichens Yangs war “ die sonnige Seite des Hügels“ und bildet den Teil eines gebräuchlichen chinesischen Wortes für die Sonne, Bewegung, Aktivität, etc.. So kann alles Seiende in Yin und Yang unterschieden werden. Tag und Nacht, männlich – weiblich, aktiv – passiv, leicht – schwer, innen – außen, tief – hoch. Yin und Yang –Eigenschaften, die immer in Relation zueinander stehen. Diese Yin und Yang-Aspekte werden, um genauere Beschreibungen zu bekommen, wiederum in Yin und Yang unterteilt. So kann Tag (Yang) und Nacht (Yin) in beginnender Tag, Morgen (Yang) und später Tag, Abends (Yin) unterteilt werden. Diese Unterteilungen werden systematisch auf den körperlichen Körper angewandt, bis man eine in die Tiefe gehende, detaillierte Beschreibung hat.

 

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Qi – Das was dazwischen liegt

Einer der wichtigsten Grundbegriffe der beschreibenden Diagnostik ist das Qi, dieser gilt als Urstoff und Lebensenergie und wird umschrieben mit “ das was dazwischen liegt“, “ was das Seiende zusammenhält“, Schwingung und Ausstrahlung. Nach dieser Vorstellung ist alles im Universum, organisch oder unorganisch, aus Qi zusammengesetzt und durch sein Qi definiert. Qi ist die Quelle aller Bewegung im Körper und begleitet jede Bewegung, die tatsächliche wie die Geistige. Das Atmen, Gehen, Träumen, Nachdenken, Singen und Reden. Qi ist die Quelle des Wachstums im Körper und wächst auch mit dem Körper.

Das Qi im Körper wird unterschieden: Das vorgeburtliche Qi – das bei der Empfängnis von den Eltern auf das Kind übertragen wird. Es wird in den Nieren gespeichert. Das NahrungsQi – das der verdauten Nahrung entzogen wird, ist am stärksten mit dem Blut verbunden und bewegt sich mit dem Blut in seinen Bahnen. Das LuftQi – das die Lunge aus der eingeatmeten Luft gewinnt. Es ist vor allem mit der Lunge und dem Herzen verbunden. Das LeiterbahnenQi – ein zentraler Aspekt der chinesischen Medizin. Es sind “ Kanäle“ auf denen das Qi zwischen den verschiedenen Organen und Körperteilen fließt und deren Aktivität reguliert und harmonisiert. Das OrganQi – Jedes Organ hat sein spezielles Qi, was sich wiederum in Yin und Yang Aspekte unterteilt. Das WeiQi – Das Qi mit dem stärksten Yangcharakter, es fließt in der Bauchhöhle und im Brustkorb und zwischen der Haut und den Muskeln. Es reguliert die Schweißdrüsen und die Porenfunktion der Haut.

Ein weiterer zentraler Begriff im Konzept des Qi ist Jing-Luo. Jing-Luo wird oft mit Leiterbahnen übersetzt, andere verwenden die Beschreibung Meridiane. Jing heißt „durchgehen“ oder“ der Faden eines Stoffes“, Luo heißt „etwas das verbindet oder anknüpft“, bzw. ein “ Netz“. Die Leiterbahnen stellen die Kanäle dar auf denen das Qi im Körper befördert wird. Sie bilden ein unsichtbares Netzwerk, das alle Grundsubstanzen und Organe miteinander verknüpft. Die Leiterbahnen verbinden das Innere des Körpers mit seinem Äußeren, was der Akupunkturtheorie als Grundlage dient. Eine Behandlung der an der Oberfläche des Körpers gelegenen Punkte wirkt sich auf das Innere aus. Jeder chinesischer Arzt muss das Leiterbahnensystem vollständig kennen. Es besteht aus 12 Hauptleitbahnen, die den fünf Yin und sechs Yang-Organen zugeordnet sind. Von zentraler Bedeutung sind die zwei Hauptleitbahnen, die vorne und hinten entlang an der Wirbelsäule entlanglaufen und für die Atemtechniken, zur Leitung des Qi sehr wichtig sind. Zusammen mit dem Lenker- und das Dienergefäß bilden sie den kleinen Energiekreislauf. Dann gibt es noch sechs weitere Sonderleitbahnen und viele feine netzartige Nebenleitbahnen.

Das Verständnis der wechselseitigen Verbundenheit von Substanzen, Organen und Leiterbahnen ist die Grundlage der Akupunktur und Heilkräuterpraxis. Die Akupunktur zählt zu den Yang- Behandlungen. Durch das Einstechen feiner Nadeln an bestimmten Punkten entlang der Leiterbahnen wird der Fluss des betreffenden Organs und seiner Leiterbahnen beeinflusst und reguliert. So können körperliche Disharmonien ausgeglichen werden. Eine verwandte Technik, die Moxibustion, arbeitet zusätzlich noch mit der Wärme. Auf speziellen Nadeln werden kleine Kräuterkugeln, meistens Beifuss, abgebrannt und die Wärme fließt von der Nadel in den Akupunkturpunkt. Auch eine Kombination mit Schröpfkugeln ist gebräuchlich. Die brennenden Kräuter ziehen den Sauerstoff aus dem übergestülpten kleinen Glasgefäß und dieses saugt sich an der Haut fest. Eine einfachere Methode der Behandlung ist die Akupunktur. Dabei wird mit verschiedenen Finger- und Handdrucktechniken gearbeitet.

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Blut, Jing, Shen und die Säfte

Neben dem Qi, einem zentralen Begriff in der chinesischen Medizin, gibt es weitere Beschreibungskriterien, bzw., Grundsubstanzen: das Blut, Jing, Shen und die Säfte.

Blut – Die chinesische Vorstellung vom Blut entspricht nicht der Westlichen. Die Hauptaufgabe des Blutes besteht in der fortgesetzten Zirkulation im Körper, der Nahrung und Erhaltung. Das Blut entsteht durch Umwandlung der Nahrung. Nachdem die Nahrung im Magen gereift ist, destilliert die Milz eine feine Essenz aus der Nahrung heraus. Das Milz-Qi transportiert diese Essenz aufwärts, zur Lunge. Während der Aufwärtsbewegung beginnt das NahrungsQi diese Essenz in Blut zu verwandeln. Die Transformation ist vollendet, wenn die Essenz die Lunge erreicht, wo sich die nun umgewandelte Nahrung mit dem Teil der Luft vereint, der als „klar“ gilt. Diese Kombination bildet schließlich das Blut, das dann vom HerzQi mit dem LungenQi durch den Körper getrieben wird. Das Herz regiert das Blut, es hält den gleichmäßigen Kreislauf des Blutes in Gang. Die Milz leitet und die Leber kontrolliert das ruhende Blut. Blut und Qi, sind voneinander verschieden, stehen aber in wechselseitiger und unlösbarer Beziehung zueinander.

Jing – Jing wird als die Quelle organischer Veränderung begriffen. Man unterscheidet zwischen vorgeburtlichen und nachgeburtlichen Jing, welches aus der aufgenommenen Nahrung gewonnen wird. Es ist eng verbunden mit dem VorgeburtlichenQi und dem NahrungsQi. Qi fließt mit den äußeren Aspekten von Bewegung. Jing stellt die innere Essenz von Wachstum und Verfall dar. Man beschreibt mit Jing die verschiedenen Wachstums- und Alterungsphasen eines Menschen.

Shen – Shen ist mit der Kraft der menschlichen Persönlichkeit verbunden, mit der Fähigkeit Ideen zu formen, zu denken. Am besten wird es mit“ Geist“ übersetzt. Es stellt aber auch eine Substanz des Körpers dar.

Säfte – Dies sind alle flüssigen Substanzen im Körper, außer dem Blut, also Schweiß, Speichel, Verdauungs- und Intimsäfte und der Urin. Die Säfte werden aus der Nahrung gewonnen und vom Qi verschiedener Organe geleitet und reguliert Sie nähren und unterstützen die Schleimhäute, die Haut, das Bindegewebe, Gelenke und das Gehirn.

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Ying- und Yang-Organe

Die chinesische Medizin unterscheidet fünf Yin-Organe (Herz, Lunge, Milz, Leber und Nieren) und sechs Yang-Organe ( Gallenblase, Magen, Dickdarm, Dünndarm, Blase und den dreifachen Erwärmer) Hier sind jetzt nur einige Beispiele aufgeführt um die chinesische Sichtweise darzustellen und zu erläutern.

Das Herz. Es reguliert das Blut und die Blutbahnen, es speichert das Shen. Das Herz öffnet sich in der Zunge. Die Zunge ist eng mit dem HerzQi und dem Herzblut verbunden. Daraus haben die Chinesen eine umfangreiche Diagnosetechnik entwickelt, die die verschiedenen Zustände der Zunge beschreibt und Rückschlüsse auf das Gesamtbefinden möglich macht. Es gibt für alle Yin-Organe eine Entsprechung im Gesicht mit dementsprechender Diagnose. Auch die Unterscheidung und Beschreibung des Pulses ist derartig komplex, dass sie ganze Lehrbücher füllt.

Die Lunge. Sie kann Bewegungen in zwei Richtungen dirigieren: „abwärts bewegend und verflüssigend“ und „ausstreuend bzw. in Zirkulation versetzend“ Die Lunge regiert das Qi. Sie nimmt das natürliche Qi der Luft auf und treibt es durch ihre abwärts befördernde Eigenschaft nach unten, dies ist die Einatmung. So wird der Heilgymnastik und der Atemgymnastik, wie im Tai Chi’uan und im Qi-gong auch besondere Bedeutung bei der Krankheitsvorbeugung und Gesundung beigemessen. Die Lunge bewegt und reguliert die Wasserwege. Sie spielt eine Rolle in der Fortbewegung und Transformation des Wassers im Körper, da sie in zwei Richtungen bewegt. Die Lunge öffnet sich in der Nase, sie regiert das Äußere des Körpers, das bezieht sich auf die Haut, Haare und die Schweißdrüsen.

Die Milz. Die Milz regiert die Umwandlung und den Transport. Sie stellt das entscheidende Glied dar, in dem Prozess der die Nahrung in Qi und Blut umwandelt. Es ist das primäre Verdauungsorgan und sie leitet das Blut. Die Milz beherrscht die Muskeln und die vier Extremitäten. Die Bewegung der Muskeln und damit auch der Extremitäten hängt von der Kraft der Milz ab. Die Milz öffnet sich in dem Mund.

Die Leber. Sie beherrscht das Fließen und das Ausbreiten. Die Leber ist für die gleichmäßig fließende Bewegung der körperlichen Substanzen und die Regelmäßigkeit körperlicher Aktivitäten verantwortlich Die ausgleichende Tätigkeit ist für die Verdauung besonders wichtig und sie harmonisiert die Emotionen. Eine Disharmonie der Leber betrifft den Gemütszustand des Einzelnen. Ärger und Enttäuschung wirken sich besonders auf die Leber aus. Die chinesische Medizin trennt sich nie vom Körper, schließt in ihrer Definition des Körpers aber auch die Psychologie mit ein. Die Leber öffnet sich in den Augen.

Die Nieren. Die Nieren speichern das Jing und regieren Geburt, Entwicklung und Reifung. Yin und Yang, oder auch die Lebensaktivität eines jeden Organs hängen letztendlich vom Yin und Yang der Nieren ab. Jing ist die Quelle der Reproduktion, Entwicklung und Reifung und die Nieren sind deshalb die“Wurzel des Lebens“. Die Nieren beherrschen das Wasser und die Knochen, sie öffnen sich in den Ohren. Wasser beschreibt jegliche Feuchtigkeit im Körper. Die Nieren beherrschen das Wasser durch das “ Feuer der Lebenspforte“. Dieses Feuer verwandelt das Wasser in Dunst. Der erste Schritt, damit Flüssigkeit aufsteigen und zirkulieren kann. Die gesamte Zirkulation des Wassers hängt von der Verdunstungskraft der Nieren ab. Die Flüssigkeiten werden vom Magen empfangen, wo der Trennungsprozess beginnt. Das reine Wasser wird extrahiert und die unbrauchbaren Teile der Nahrung werden zum Darm gesandt. Die Extraktion wird von der Milz weitergeführt, die die reinen Essenzen in verdunsteter Form, nach oben, in die Lunge sendet. Die Lunge lässt den klaren Teil der Flüssigkeit im ganzem Körper zirkulieren und verflüssigt wiederum den Teil, der durch Gebrauch verunreinigt wurde und sendet diesen nach unten, zu den Nieren. Die Nieren scheiden die relativ reinen von den trüben Bestandteilen, verwandeln die Reinen in Dunst, den sie nach oben, in die Lunge senden, damit sie wieder am Kreislauf teilnehmen können. Die trüben Teile werden zur Blase gesandt, die diese speichert und dann ausscheidet.

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Metaphern und Muster der Entsprechungen

Bei diesen Beschreibungen von Vorgängen im Körper, mittels des Parameters Qi, wird die Qualität einer „Innenschau“, einer inneren Wahrnehmung deutlich, die durchaus in einen Vergleich mit dem Vorstellungsmodus der galenischen Säftelehre treten kann. Alles unter der Annahme, das man aus den Gleichnissen und Erkenntnissen, aus der mit den Sinnesorganen und dem Verstand erfahrbaren Außenwelt eine Art beschreibendes Muster schafft um damit Innenräume, das Innere des Körpers zu erklären versucht. Diese Beschreibung holte sich ihre Gleichnisse u.a. aus der Beobachtung vom Wetter, z.b. Morgentau, Verdunstung, Frühnebel etc. und aus einer sehr hoch entwickelten Alchemie, die die Kenntnisse einer mehrstufigen Destillation und Filtration voraussetzte. Eine differenzierte landwirtschaftliche Bewässerungstechnik mit Schleusen, Brunnen und Wasserleitbahnen, die in ihrer Gesamtheit ein komplexes System bilden, wäre ebenso denkbar.

Auch einige Umschreibungen des Yang-Organs „der dreifache Erwärmer“ deuten darauf hin, dass man Erfahrungen und Erkenntnisse der Wasserregulierung des Jang-tse in die Geschehnisse des Körpers übersetzt hat. Der dreifache Erwärmer kontrolliert das Wasser im Körper. Im NeiJing, einem altem medizinischen Lehrbuch wird er als der „Beamte des brechenden Wasserdamms “ bezeichnet oder er wird als der Ort beschrieben „wo die Wasserwege entstehen“. Der dreifache Erwärmer hat einen Namen, aber keine Form. Er besteht als funktionelle Relation zwischen den Organen die das Wasser regulieren ( Lunge, Milz, Nieren, Dünndarm und Blase). „Der obere Erwärmer ist ein Dunst.“ Dunst vermag den Körper zu durchdringen, was dem in der Lunge verdunstetem Wasser entspricht, das im Körper verbreitet wird. „Der mittlere Erwärmer ist ein Schlamm“ Dies wird im Bezug auf das verdauende Aufwallen der Magen-und Milzfunktion gedeutet. „Der untere Erwärmer ist ein Sumpf“. Er ist für die Ausscheidung der trüben Bestandteile verantwortlich, was sich auf die Niere, die Blase, den Dünn- und Dickdarm bezieht. Die Feuchtigkeit ist in der chinesischen Sichtweise ein individuelles und gleichzeitig ein universelles Muster. Die Feuchtigkeit bildet ein Muster aus Eigenschaften und Ereignissen, die eine Person mit der Umwelt verbindet. Im Sumpf ist eine schwere, matschige Feuchtigkeit. Der Morgentau kann erfrischend und belebend wirken. Je nach situativen Kontext einer genauen Naturbeobachtung kann man zu einem beschreibenden Vergleich im Bezug auf die Diagnose eines Patienten kommen.

Weitere Faktoren, die zur Herstellung eines Musters und letztendlich zu einer individuellen Diagnose führen, sind u.a. „die sechs Einflüsse“. Sie stellen zugleich sechs klimatische Phänomene dar: Wind, Kälte, Feuer/Hitze, Feuchtigkeit, Trockenheit und Sonnenhitze. Desweiteren die sieben Emotionen, da es in der chinesischen Medizin eine allgemeingültige Tatsache ist, das Physis und Psyche nicht getrennt werden sollten. Freude beeinflusst das Herz., Ärger die Leber, Traurigkeit die Lunge, Schwermut die Milz und Angst die Nieren.

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Der Arzt untersucht seinen Patienten aus vier verschiedenen Perspektiven heraus: 1.Beobachten, 2. Hören und Riechen (im chinesischen ein Begriff), 3. Befragen, 4. Betasten. Beobachten meint insbesondere die generelle Erscheinung, die Gesichtsfarbe, die Ausscheidungen und Absonderungen und die Zunge. Der zentrale Punkt beim Betasten meint das Pulsfühlen. Das Pulsfühlen stellt ein solch grundlegendes Merkmal der chinesischen Medizin dar, das die Chinesen oft sagen“ Ich gehe zum Pulsfühlen“ wenn sie sich zum Arzt begeben. Der bevorzugte Fühlpunkt liegt an der Speichenschlagader neben dem Handgelenk Die chinesische Theorie und Praxis des Pulsmessens ist weit umfangreicher und differenzierter als im Westen. Es wird in der Regel zwischen 24 bis 32 Pulsarten unterschieden.

Man unterscheidet viele Disharmoniemuster, die jedoch für einen vorläufigen Überblick zu den sogenannten acht Grundmustern zusammengefasst werden können. Das Konstrukt dieser Grundmuster gibt dem Arzt erste Anhaltspunkte dafür, in welcher Weise die Yin und Yang- Tendenzen im Körper in Disharmonie sein könnten. „ba-gang“die acht Grundmuster, kann folgendermaßen übersetzt werden: „ba“ heißt acht; „gang“, ursprünglich das vordere Seil eines Fischnetzes, kann auch Leitprinzip, das Wesentliche oder Parameter bedeuten. Mit Hilfe von „“ba-gang“ verschmelzen die abstrakten Beschreibungen des menschlichen Körpers aus der Perspektive des Yin und Yangs und die detaillierten Aufzählungen der Disharmoniemuster zu einer konkreten Analyse. Diese acht Grundmuster bilden vier Gegensatzpaare: Yin- Yang, innerlich-äußerlich(Tiefe – Oberfläche), Mangel- Übermaß, Kälte- Hitze. Die drei letzten stellen im Grunde die Unterteilung von Yin und Yang in sechs Subkategorien dar.

Die chinesische Medizin basierte neben den Entsprechungen von Yin und Yang und den Fünf- Wandlungsphasen auch auf den konzeptuellen Quellen der Dämonenmedizin und der Entsprechungsmagie. Ging die Dämonenmedizin davon aus, das man den Einwirkungen von Dämonen ausgesetzt war, so wandelte sich diese Vorstellung dahingehend, das man mit den Einflüssen und Ausstrahlungen aller nur erdenklichen Naturphänomene in Harmonie zu leben hatte. Nicht mehr Dämonen verkörperten das Unheil, sondern vor allem abstrakte, aber auch konkrete sichtbare Einflüsse und Ausstrahlungen. Während die Yin-Yang- Zuordnungen ins frühe Altertum Chinas zurückreichen, findet man die ersten Erwähnungen der 5- Phasen- Theorie erst im vierten Jahrhundert vor Christus. Ursprünglich wurde sie vor allem auf politische wie auf wissenschaftliche Phänomene angewandt. Die korrekte Wahl des Zeitpunktes für die Riten wurden hauptsächlich durch die Dynamik der Phasen bestimmt, die in jener Zeit die “ Fünf Tugendenden“ oder die“ Fünf Kräfte“ genannt wurden.

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Die Fünf- Phasen- Theorie unterlag auch nach ihren Eingang in die chinesische Medizin fortwährenden Veränderungen, so gab es eine Menge von Versuchen die Fünf Phasen in die Yin- und Yang-Struktur einzubauen, beispielsweise bezeichnete man Holz und Feuer aufgrund ihres aktiven Charakters als Yang-Phasen, Metall und Wasser, deren Aktivität eher gering ist als Yin- Phasen. Erde stellte der ausgeglichene Zustand zwischen Yin und Yang dar. Doch trotz dieser scheinbar gelungenen Verbindung führten die beiden Bezugssysteme doch immer wieder zu unterschiedlichen Interpretationen von Gesundheit und Krankheit. Die Fünf-Phasen- Theorie koppelt z.b. das Herz mit dem Feuer, während die traditionelle Medizin die Nieren ( Feuer der Lebenspforte) als physiologische Grundlage des Feuers (Yang) anderer Organe bezeichnet werden. In solch einem Fall werden die formalen Entsprechungen der Fünf-Phasen- Theorie schlicht und einfach ignoriert. Die Abweichungen in der Interpretation beruhen auf der Tatsache, dass die Fünf- Phasen- Theorie Eins-zu Eine- Entsprechungen betont, die Yin- YangModelle aber die Notwendigkeit des Verständnisses der Gesamtkonfiguration unterstreicht. Aber gerade in der Fünf-Phasen- Theorie lassen sich Ähnlichkeiten und Gleichnisse zu alten europäischen Vorstellungen finden.

Die Idee der Reharmonisierung von Gegensätzen lässt sich in fast allen traditionellen medizinischen Systemen finden. Die griechisch-arabische Synthese war wie die chinesische auf polare Gegensatzpaare aufgebaut. Heißes und kaltes Temperament bildeten die aktiven Primärpole, trockenes und feuchtes, die passiven Sekundärpole. Die vier Humores (Körpersäfte: Blut, Schleim, gelbe Galle, schwarze Galle), Geschmacksrichtungen, Hauptorgane, Jahreszeiten usw. fügten sich mit den vier Temperamenten zu einem dynamischen Schema der Entsprechungen zusammen. Avicennas Beschreibung der Zeichen für jedes einzelne der vier Temperamente gleicht ungefähr den chinesischen acht Grundmustern.

Die griechische Medizin der Antike, die Praxis der arabischen Ärzte, die ayurvedische Medizin der Inder. Alle diese Systeme gleichen sich insofern, als ihre Untersuchungsmethoden und ihre Einschätzung von Gesundheit und Krankheit auf qualitativen Zuordnungen gründeten. Man sah eine Entsprechung von verschiedenen Aspekten, körperlichen Aktivitäten und gewissen Aspekten der Natur. Gesundheit und Krankheit verstand man anhand vom Gleichgewicht und Ungleichgewicht.
In der Antike wurde in der Schrift “ De honestate“ die Gemeinsamkeit der Medizin und der theologischen Philosophie deutlich hervorgehoben:

„…so ergibt sich, das man die Philosophie in die Heilkunde und die Heilkunde in die Philosophie überführen muss. Was sich in der Lehre der Weisheit befindet, ist auch in der Heilkunde enthalten.“

Bibliographie

The Way of the golden Elixier – A Historical Overview of Taoist Alchemy; Fabrizio Pregadio
http://de.wikipedia.org/wiki/Traditionelle_chinesische_Medizin

http://www.goldenelixir.com/files/Taoist_Alchemy_Historical_Overview.pdf

 

 

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